Fit für Prüfung und Fachgeschäft

Monat: Januar 2021

Meister werden?

Es gibt unterschiedliche Gründe den Meistertitel in der Augenoptik zu erwerben. Manchen treibt der Gedanke um, sein eigener Chef sein zu wollen. Man kann sich mit seinem eigenen Fachgeschäft selbstständig machen, hält selbst die Fäden in der Hand, wenn es darum geht, Preise zu machen, Mitarbeiter auszuwählen, die Arbeitsumstände zu formen, sich selbst zu verwirklichen oder es einfach nur besser zu machen, als es in den früheren Arbeitsstätten lief. Diesen Schritt gehen wenige.

Eine andere Möglichkeit ist die Übernahme eines Filialbetriebes, eine Betriebsstättenleitung, Werkstattleitung, etc. Auch hier erhält man die Gelegenheit Verantwortung zu übernehmen, zu gestalten und in der Hierarchie aufzusteigen. Nur eben nicht komplett auf eigenen Beinen.

Doch gibt es zunehmend junge Gesellinnen und Gesellen, die aus einem viel einfacheren Grund die Meisterschule besuchen: sie wollen mehr Geld verdienen. Dieser Grund ist natürlich nachvollziehbar. Das Gesellengehalt ist in der Augenoptik bekanntermaßen nicht besonders hoch. Spätestens bei der Versorgung einer Familie kann es knapp werden, und auch sonst sind große Sprünge unwahrscheinlich. Die verantwortungsvolle Erfüllung von Aufgaben bezüglich der Führung von Auszubildenden und Mitarbeitern, Kundenumgang oder Reklamationsbehandlung rechtfertigen – neben einer zeitlich und preislich aufwändigen Fortbildung – das höhere Gehalt für Kolleginnen und Kollegen mit Meisterbrief.

Meine subjektiven Eindrücke und Erfahrungen aus dem Bereich der Fortbildung zeigen: das Interesse am Zuwachs des Gehaltes steht manchmal nicht im Verhältnis zum Interesse am Zuwachs an Verantwortung. Viele Teilnehmer sind sich außerdem bei der Anmeldung zum Vorbereitungskurs auf die Meisterprüfung offenbar nicht bewusst, welcher Unterrichtsinhalt sie erwartet. Auch und vor allem nicht, in welchem Umfang.

Das zu bewältigende Pensum ist beachtlich. Die fachlichen Kernkompetenzen und somit die Steckenpferde für Augenoptikermeisterinnen und -meister sind zum einen die Augenglasbestimmung und zum anderen die Kontaktlinsenanpassung. In letzter Zeit kamen noch in verstärktem Maße die Themengebiete Optometrie und Screening in den Fokus der Meisterausbildung. Natürlich gibt es zu diesen Themengebieten Schulungen und Seminare für Gesellinnen und Gesellen, die einen Kompetenzzuwachs bedeuten, den Arbeitsradius vergrößern und auch persönlich voranbringen. Doch alleine aufgrund des zeitlichen Umfangs dieser Seminare von höchstens wenigen Tagen können diese Themen nicht in aller Tiefe und Breite erarbeitet und geübt werden. Erst mit dem erfolgreichen Absolvieren des Meisterkurses kann ein Minimum an Vorbereitung auf viele mögliche Eventualitäten gewährleistet werden, sodass man die Jungmeisterinnen und -meister ähnlich wie nach einer erfolgreichen Führerscheinprüfung allein üben lassen kann.

Doch von Kompetenzen und Formalismen abgesehen sind Meister vor allem eines: Problemlöser. Wer im Fachgeschäft und in der Kundenberatung an eine fachliche, handwerkliche oder sonst wie geartete Grenze stößt, ruft die Meisterin herbei, damit diese sich des Problems annimmt. Dies ist eine Chance für alle, die Verantwortung haben und das Steuer selbst übernehmen wollen. Auf der anderen Seite ist dies eine Bürde für jeden, der sich vorher dieser Verantwortung nicht bewusst war.

Meister wird man nicht über Nacht, man wächst in diese Position hinein. Talent ist eine Sache, aber Fleiß ist wichtiger. Noch wichtiger als beides ist Einstellung, der Wille zum Handeln. Die Einstellung hingegen, stets nur das nötigste zu tun, allenfalls das Mindestmaß zu lernen, nur nachzumachen statt vorzumachen, sind mit dieser Führungsposition, welche auch auf Haltung basiert, schwer zu vereinbaren. Dem Anspruch, mehr verdienen zu wollen, müssen eine Leistungsfähigkeit und ein Leistungswille gegenüberstehen, die das Mehrgehalt auch rechtfertigen.

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